Unimog-Club Schweiz / Liechtenstein

Geländefahrschule in Rabius (7.10.2017)

 

                       

Geländefahrkurs nach dem Motto:

Learning by doing


Auf dem Gelände der Kies- und Sandwerke Rabius AG, in Rabius in Graubünden, führte die Regionalgruppe Schweiz/Liechtenstein am 7. Oktober 2017 eine Geländefahrschule durch. Die Vorstände Claudio Lazzarini organisierten das Schraubertreffen zum Thema „Geländefahrschule“ in Bezug auf die Einladung der Mitglieder, die Bewirtung und eine professionelle Rettungstruppe vor Ort und Vorstand Reto Dosch sicherte den Zutritt auf das Werksgelände der Firma Beer her und stellte den Bergungs-Unimog mit Ladekran und Seilwinde. Gisbert Hindennach übernahm die Aufgabe des Instruktors und legte auch die sechs Übungssektionen fest. Das Gelände wurde am 17.08.2017 auf Tauglichkeit von Reto Dosch und Gisbert Hindennach, im Beisein von Ursi und Peter Jenni, vorab besichtigt. Das Gelände wurde von mir, bis auf die fehlende Höhendifferenz für die Steilauf- und Steilabfahrt, als gut  befunden.

 Ziel des eintägigen Kurses war die Beherrschung des eigenen Unimog im schweren Geländeeinsatz zu optimieren, um eine akute Unfallgefahr auszuschließen. Dies wurde nach dem Motto „Lernen durch tun“ ausgeführt. Was bedeutet, dass die erforderliche Theorie vor Ort am Fahrzeug im Gelände vermittelt wurde und der Fahrschüler sofort sein neues Wissen in der Praxis umsetzen konnte. Dies erlaubt eben auch, dass ein gezieltes Ausbilden jedes einzelnen Teilnehmers möglich ist. Für die vielen Zuschauer waren natürlich die unterschiedlichsten Unimog-Typen im Fahrzustand, auch die erkennbar unterschiedlichen fahrerischen Temperamente hochinteressant anzuschauen. Für den Instruktor war die Vielfalt der fast 20 Unimog-Typen, neben einem Land Rover und einem Mercedes Edel G, eine zusätzliche Herausforderung, um hier die jeweils passende Feinabstimmung anzuraten. Wobei im Vorfeld schon von mir darauf hingewiesen wurde, dass ich die Teilnahme von Gelände-PKWs als bedenklich ansehe, da deren Antriebstrang für solche Belastungen nicht ausgelegt ist und die entsprechenden Front- und Heckböschungs- und der Rampenwinke unzureichend sind. Beim Land Rover fehlen zusätzlich die Quersperren und es kommt damit oft zu Überbeanspruchungen der Ausgleichsdifferenziale – ganz abgesehen von der Bereifung, die für vorgelegenen Fahrgrund als risikobehaftet angesehen werden müssen.

Begonnen wurde mit „Lockerungsübungen“, indem drei gegenläufige Kreisel gefahren und sofort im Anschluss über scheinbar wahllos ausgelegte Hölzer „gebrettert“ werden musste. Dann, an markierter Stelle, sollte eine Vollbremsung hingelegt und von dort aus direkt im Straßendruck in den Steilhang eingefahren werden. Über  diese kleinen Fahrübungen kann ein schneller Überblick über den technischen Fahrzeugzustand und das fahrerische Verhalten (Können) der Teilnehmer gewonnen werden. Ein U 1550L, der mit einer  Reifendruckregelanlage ausgestattet war, führte in dieses Vorhaben ein. Er fuhr zwei Durchgänge; einmal im 4bar-Straßendruck und der zweite Umlauf mit auf unter die Hälfte abgesenkten Geländedruck. Beim Durchgang im Straßendruck hoben die Räder bei jeder Überfahrt eines Holzes kurzfristig vom Boden ab und am Fahrzeug wurden störendes Nicken und Wanken erzeugt, was sich bei Geländefahrt als sehr störend auswirkt und somit die Fahrgeschwindigkeit drastisch gesenkt werden muss. Dies wiederum führt dann oft zum Festfahren. Bei der Bergauffahrt grub sich das Fahrzeug sofort in den losen Untergrund ein. Nach der  Drucksenkung erfolgte die Federarbeit beim Überfahren der ausgelegen Bretter jetzt nur über die Reifenflanken und damit blieb der Fahrzeugaufbau völlig ruhig. Es gab kein Springen der Achsen und somit bestand immer an allen vier Rädern ständiger Bodenkontakt. Der steile Anstieg wurde fast vollständig durchfahren, da die Vergrößerung der Reifenaufstandsflächen die Traktion drastisch erhöhte. Jedes Fahrzeug durchfuhr diese Einführungsrunde und senkte dann seine Reifen auf Geländedruck.

Anschließend ging es in Anfangssektionen, in denen jeweils auf ein besonderes Merkmal geschult wurde. Zu Beginn jeder Sektion wurde den Teilnehmern eine Kurzeinführung mit der Aufgabenstellung und die zu berücksichtigenden Besonderheiten mitgeteilt und nach dem Beenden der Sektion wurde nachbesprochen was der jeweilige Teilnehmer optimieren könnte. Die Beobachtung der fahrenden Fahrzeuge und deren Lenker nahm der Instruktor von außen vor. Er hat damit einen besseren Gesamtüberblick und kann trotzdem jederzeit dem Fahrzeuglenker Hinweise oder Ratschläge erteilen oder sogar auch die Übung stoppen. Ein Vorteil ist auch darin zu sehen, dass ständig alle anderen Teilnehmer aus der Beobachtung und die  Einzelhinweise die dem Fahrenden gegeben werden für ihre eigene Fahrt Informationen erhalten. Nach der geübten Steilauffahrt ging es um das Gefühl der Schräglage in der Querachse. Hierzu war ein 25 Meter langes Entlangfahren an einer steilen Böschung vorgesehen. Bei der Rückfahrt auf gleicher Strecke saß der Fahrer unten. Unten sitzend wird man ängstlicher. Alle Teilnehmer durchfuhren diese Übung exzellent und immer im sicheren Abstand zur Kippgrenze.

In folgender, längerer Sektion sollten die Fahrschüler zeigen, dass sie ihr eingeübtes Wissen in einer schwierigen Fahrkombination umsetzen können. Es sollte eine bisher unbefahrene hohe Aufschüttung von bestimmt 7 Meter Höhe aus verdichtetem Aushubmaterial überfahren werden. Wohlgemerkt, es sah nicht einfach aus, denn die Schwierigkeit lag darin, dass ausgesteckte Tore durchfahren werden mussten. Dies führte zwangsläufig zu Steilaufstiegen, Schräglagen und Gefällen. Eine Aufgabenstellung die Gefahrenfahrten gleicht (z. B.: Fluchtfahrt vor einem Waldbrand). Fast alle Teilnehmer hatten den Eindruck, dass die mit reichlichen Torstangen ausgesteckte Route unbefahrbar wäre. Vom Instruktor wurde ein ruhiger Fahrer mit seinem leichten und wendigen U 421 als Scout zur Erstbesteigung in die „Mondlandschaft“ geschickt. Er fuhr die Hindernisse bis zur oberen spitzen Kuppe in fast einem Durchgang. Beim Überwinden jeden einzelnen Hindernisses ging ein bewunderndes Raunen durch das Publikum. Die Bergkuppe wurde nicht schräg genug angefahren und ein Rangieren war nicht erfolgreich und somit reichte der Rampenwinkel zwischen den Achsen nicht aus. Die Fahrt wurde abgebrochen, nachdem leider die Abgasanlage beschädigt wurde. Den vollen Durchstieg bis zur gegenüberliegenden Talsohle schaffte anschließend ein U 404S. In der hinteren Talsohle zum Aufstieg in das zweite „Gebirge“ stand dieser mit gegenläufig total verschränkten Achsen bewegungsunfähig fest. Der 404S war nicht lenkbar und es standen keine ausreichenden Rangierwegstrecken zur Verfügung, um eine Richtungsänderung zu erreichen. Ein bekanntes Problem beim U 404S, der deswegen bei durchzuführenden Lenkeinschlägen immer in Bewegung gehalten werden sollte, oder entsprechend präzise passend an Verschränkungsstellen durchgefahren werden muss. Die Präsidentin Ursi Jenny hatte eingangs bei Ihrer Begrüßung gesagt, dass die Teilnehmer wahrscheinlich in Grenzbereiche eingeführt würden. Wie Recht sie hatte, war jetzt jedem klar. Des Instruktors Denkweise ist eben, dass man auch erkennen sollte wo das jeweilige Fahrzeug seine Schwachstellen aufweist: Learning by doing.

Auf dem Weg vom Mittagstisch zur nächsten Sektion wurde an passender Mauer erläutert wie, je nach Fahrzeugtyptyp, eine 0,8 bis 1 Meter hohe senkrechte Mauer bezwungen werden kann. Dies ist nur für Fahrzeuge mit Quersperren, wie sie der Unimog aufweist, möglich. Die nächste Sektion hatten die Themen „Steilabfahrten und unterschiedliche Bremstechniken“ zum Inhalt. Man konnte jetzt sehen wie die Fahrsicherheit rapide zugenommen hatte und wie jeder begeistert mehrere Durchgänge fuhr. Kritisch wurde es kurz, als das schwere U 4000-Großwohnmobil bei der Steilabfahrt mit  dem Heck aus den Fahrspuren geriet, nach rechts ausscherte und nicht mehr in die Spur zurück kam, sondern mit seiner Hinterachse auf dem lockeren Kies langsam talwärts rutschte. Das Fahrzeug fuhr mit versetzten Achsen und damit in leichter Schräglage. Es war ein zu kleiner Gang eingelegt und somit konnte das Drücken des Hecks von der nervenstarken Pilotin nicht „eingefangen“ werden. Sie  fuhr diesen  kritischen Fahrzustand sehr besonnen zu Ende, ohne jegliche Stotter- oder Totalbremsung einzuleiten. Bei einer Wiederholung, gelang in einem höheren Gang fahrend, in modulierter Bremsung die Steilabfahrt des 14-Tonners problemlos. Moduliertes Bremsen bedeutet, dass das Fahrzeug in Leerlaufdrehzahl gegen eine höhere Gangstufe dauerbremsend mit variierenden Bremsdruck gefahren wird, dass alle Räder immer rollend bremsen und damit die Hinterachse nicht durch blockierte Räder ausbricht und keine Unruhe durch Radlastveränderungen ins Fahrzeug kommt (Ein- und Austauchvorgänge am Vorderwagen durch schnelle Bremsungen). Wenn doch, so kann durch Veränderung der Bremsleistung  oder mit einem Gasstoß wieder in Fallrichtung gelenkt werden. Somit war jedem klar, dass die alte Grundregel, dass ein Motorfahrzeug nur in Fallrichtung in kleinster Gangstufe und nur mit der Motorbremskraft, ohne jegliche Unterstützung mittels Betriebsbremsung, zu Tal gebracht werden darf, falsch ist und damit ins Reich der Märchen gehört. Bei den anschließenden Steilauffahrten kamen zwei Fahrzeuge, die im nur leicht erhöhten Standgas gefahren wurden, ins Rückwärtsrutschen und die Motoren drehten wegen der Radlaufrichtungsänderung kurzfristig falsch herum. Sie saugen damit Öl an uns blasen die Abgase über den Ansaugtrakt aus. Durch Zuruf wurden die Fahrer aufgefordert den Motor abzustellen.

Als letzte Sektion wurde das Durchfahren eines trockenen und abfallenden Bachbettes geübt. Hier ist ein rechtwinkliges Queren wegen den unzureichenden Böschungswinkeln an Front und Heck nicht möglich. Anspruchsvoll war diese Fahrvariante, weil hier eine tiefe Grube mit sehr steilen Ein- und Ausfahrten sehr schräg, auf jeweils diagonal gegenüberliegenden Rädern im durchgehend dynamischen Rhythmus, gefahren werden musste. Dabei musste jederzeit mit dem seitlichen Wegrutschen des Vorderwagens gerechnet werden. Es dürfen dabei keine Brems- und Lenkbewegungen  getätigt werden, die Unruhe ins Fahrzeug bringen. Das gelbe U 1550L Wohnmobil hat eigenverantwortlich als Anfahrt zur Bachmuldenquerung den Weg über gelagerte Lkw-Erdhaufenladungen gewählt. Kurz vorm Ziel ist sein Fahrzeug seitlich mit der Vorderachse gegen einen großen Steinbrocken geprallt. In der Schrägfahrsektion hatte ich – wie auch an anderen Stellen – darauf hingewiesen, dass Hindernisse mit einem Rad überfahren werden oder mit ausreichendem Abstand umfahren werden sollten. Alles schon selber mehrfach erlebt (siehe meine DVD UnimogGeländefahrschule, Lektion Nr. 13). Der Reto Dosch fand somit  mit seinem Berge-Unimog seinen Einsatz. Mit seinem Aufbaukran setzte er den bestimmt 600 kg schweren Brocken in genügend großen Abstand zum gestrandeten Unimog ab. Der Thomas fuhr dann auf seiner Piste weiter. „Learning by doing“. Eine interessante Abschlusseinlage, die ohne größeren Schaden ausging, weil die Fahrt rechtzeitig abgebrochen wurde..

Mit dieser sehr anspruchsvollen „Muldenquerung“ wurde der Geländefahrkurs beendet. Man traf sich im Camp, um die Fahrzeuge wieder für die jeweils weite Heimreise vorzubereiten. Ein Lob den Organisatoren für die gute Organisation und die vorzügliche Verpflegung. Mein Dank natürlich auch an den Fotografen für die vielen Fotos. Chapeau vor den Teilnehmern für deren Leistung und dass wir diesen Samstag mit so vielen verschiedenen Fahrzeugen so spannend und so diszipliniert fahren konnten. Denn es war für den Instruktor nicht immer ganz einfach, die Fallrichtungen und Auslaufzonen der fahrenden Fahrzeuge von anderen Fahrzeugen und vor allem von den Kindern und Zuschauern frei zu halten. Aber auch mir hat es richtig Spaß gemacht. Danke!






Nachstehend die Bilder von Hideo Usuda zum Schraubertreff.



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